Donnerstag, 10. Januar 2013

Teil 10

Falls du die anderen Teile dieser Geschichte noch nicht gelesen hast, findest du sie hier.

Sofort schlug er seien Augen wieder auf. 
Er ließ seine Erinnerung immer genau bis zu diesem Punkt schweifen, doch weiter wollte er sich nicht erinnern. Lieber verschloss er diese Erinnerung tief in seinem Herzen. 
Die Sonne war nun zur Gänze verschwunden und die Finsternis hat die Welt für sich erobert. 
Er drehte sich um und widmete sich wieder seinem Buch. Vielleicht würde er sogar noch ein paar Seiten schaffen. 

Er stand, wie an jedem Morgen mit verschränkten Armen am Pult. 
In der letzten Nacht hatte er noch schlechter geschlafen, als in den Nächten davor. 
Sobald er eingeschlafen war, rutschte er in diese Träume ab. 
Dunkle Träume. Schreckliche Träume. Mörderische Träume. 
Die schwarzen Augenringe hatten ihn heute Morgen aus dem Spiegel regelrecht angestrahlt. 
Aber so schlecht er auch wieder geschlafen hatte und so tief seine Augenringe waren, die Fältchen darüber und darunter waren nur noch eine Ahnung von dem was sie noch vor ein paar Wochen waren. Lange hatte er sich vor dem Spiegel aufgehalten. Er hatte an seinem Gesicht herumgezupft, es glatt gestrichen und in Falten gelegt. Immer und immer wieder. 
Es ließ sich nicht abstreiten, er so mindestens fünf Jahre jünger aus. Wenn das so weiter ginge, würde er bald so jung aussehen, wie seine Studenten. Das würde dann selbst denen auffallen.
Deshalb war er auch zu spät dran gewesen. 
Seine Gedanken waren von seiner Veränderung und die daraus folgenden Konsequenzen besessen gewesen, dass er nicht nur zu spät aus dem Haus kam, sondern noch beinahe einen Autounfall verursacht hätte. 
All das führte dazu, dass er erst kurz vor Beginn der Stunde in den Raum trat, welcher bereits gut gefüllt war. 
Jedoch saßen die Studenten nicht, wie gewöhnlich auf ihren Plätzen. Sie hatten sich in einer Ecke versammelt und seine Ankunft zuerst gar nicht bemerkt. 
Voller Wucht musste er seine Tasche auf den Tisch knallen, damit diese aufschreckten und den Blick auf das Objekt ihres Interesses freigaben
Da stand sie. 
Vollkommen cool gegen die Wand gelehnt. Die Hände in die Taschen ihrer Stoffhose gesteckt, welche definitiv zu dünn war für diese Jahreszeit. 
Ihre Locken hatte sie zu einem Zopf geflochten, der erst verdeutlicht, wie lang ihre Haare eigentlich waren. 
Die anderen Studenten setzten sich sofort auf ihre Plätze, als sie bemerkten, dass ihr Professor sie anstarrte. 
Nur sie wieder nicht. Sie verschränkte die Arme vor der Brust, lächelte ihn auf ihre unglaublich direkte Art an und schlenderte gewollt langsam auf einen Platz in der hintersten Reihe zu. 
Er fixierte sie mit zusammengepressten Lippen. 
Am liebsten hätte er sie wieder weg geschickt, aber diese Blöße konnte er sich vor den anderen Studenten nicht geben.

Copyright © Julia

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